Gerhard Hoch

* 1940

  • „Wir hatten also immer von den führenden Leuten vom Übergang hatten auch mit den führenden Leuten auch zur Zeiten des Eisernen Vorhangs, immer einen gewissen Kontakt. Wenns um dienstliche Probleme ging, da ist man da rüber gefahren, grad mit dem LKW-Verkehr, und hat das mit den tschechischen Kollegen besprochen. Und die sind auch zu uns rüber gekommen und haben das auch besprochen. Ein Fall war z.B., da ist ein tschechischer Zöllner bei der Kontrolle eines LKWs, der Bibel geladen hatte für Westdeutschland irgendwo, ist also auf dem LKW rumgeklettert, hat alles kontrolliert und da hat er seine Dienstpistole verloren, im LKW drin. Und dann ist der LKW zu uns rübergekommen, einfache Abfertigung, der hat in zwei Stunden weiterfahren können. Und nach drei Stunden hat der bemerkt, die Waffe muss auf dem LKW sein, der für Deutschland bestimmt ist. Müssen wir tätig werden, wenn der gefunden wird geht die Waffe mit der Munition irgendwo verschütt, kommt in schwarze Kanäle. Ich hab dann eine Fahndung ausgerufen, nach dem Fahrzeug, nen tschechischer LKW, das und das Kennzeichen und tatsächlich ist dieser LKW dann im Großraum Amberg aufgegriffen worden, angehalten und man hat die Waffe gefunden. Und dann ist natürlich der Streit losgegangen: Der Zoll wollt die haben, wir wollten die Waffe übergeben an unseren Chef, der damals Grenzbeauftragter war. „Das ist mein Bier, das geht euch nichts an.“ Da ist ihm die Waffe übergeben worden. Aber zuerst hat der tschechische Offiziere nur gemeint: „Naja, der hat bei uns irgendein Problem gemacht, den brauchen wir noch mal, ob ich den nicht zurück schicken kann.“ Sag ich: „Der ist bei uns abgefertigt. Ich weiß nicht wo der ist. Zurückschicken wie nichts und wieder nichts, das geht nicht.“ Nach weiteren 10 Minuten ist er dann gekommen und hat die Story von der Pistole… wir haben den Mann nicht und den LKW nicht wieder zurückgeschickt, sondern nur die Waffe. Das ist über den Grenzbeauftragten gegangen.“

  • „An einen kann ich mich erinnern, das war ein Rumäne, der hat in seiner Fabrik Maschinenteile für Deutschland gemacht, die sind in Holzkisten verschickt worden, verpackt worden, wie das so üblich ist, das waren Überseetransporte überwiegend, und damals gabs noch keine Container wie das heute versandt wird, sondern das ist noch mit Kisten transportiert worden und da hat der sich von seinen Freunden mit Wasser und Proviant in der Kiste mit einnageln lassen und ist dann in den Zug rein, verladen worden mit der Maschine, der hat sich kaum rühren können da drin, so eng war das. Und als er in Furth war da stand er so ungefähr drei, vier Stunden, da hat er also gehört, dass die Leute, die Eisenbahner jetzt Deutsch reden, scheinbar hat er da Verbindungen gehabt, und dann hat er sich durch Klopfzeichen bemerkbar gemacht. Der ist von uns willkommen geheißen worden, der hat den Asylstatus bekommen. Ein Mann, das war ein Tscheche, ein Slowake, aus der Slowakei, der hat sich mit einem Trabbi-Motor einen Motorgleiter gebaut, so ein Leichtflugzeug und ist mit dem selbstgebauten Gerät direkt vor uns dort direkt über den Übergang drüber geflogen. Seitlich vom Übergang. Ein paar Meter über die Bäume ist er rüber geflogen und erst in Cham, wo er gesehen hat, dass ist jetzt ganz dicht bebaut, da ist er dann gelandet. Und der gute Mann hat sogar ein Buch geschrieben über seinen Fluchtversuch, und das hat er dann auch hier in Deutschland verkauft, und bei seinem Vortrag, da war ich da und da hat er erzählt, spricht auch gut Deutsch, hat ein Hotel in der Slowakei, Ort weiß ich jetzt nicht. Er hat ja Asylstatus. Als der Eiserne Vorhang war, kann mich nicht erinnern, dass da einer zurückgeschickt worden ist und dass der Asylantrag abgelehnt wurde. Das haben wir nicht verfolgt, wir nahmen den Asylantrag, haben uns den Fragebogen ausfüllen lassen und der ist dann an die Zirndorf oder irgendwo weitergegeben worden, ob die angenommen worden sind oder nicht, konnt ich nicht verfolgen.“

  • „Dort in der Höll haben wir nicht viel gesehen, da sind bloß ein Haufen Neugieriger gekommen, die wollten die Russen sehen. Weil dort in Höll ist ja auch ein Übergang gewesen, der war zur damaligen Zeit für den normalen Reisenden geschlossen, nur noch Langholztransporte, die von tschechischen Staatsforst gekauft wurden, die durften damals, sonst hätten sie nen riesen Umweg fahren müssen, rüber fahren. Da sind die deutschen Einkäufer rüber gefahren und haben das Holz geholt. Das war die einzige Tätigkeit, was dort über die Grenze gegangen ist. Oder, das war auch noch der Fall, weil der Übergang dort nicht so mit den engen Sicherheitspfosten gesichert war, sondern mehr mit so Stacheldrahtrollen. Jetzt wenn ein Schwertransport gekommen ist, der über den Übergang nicht durch konnte, weil die Durchfahrt zu eng war, der ist dann über Höll gefahren. Das ist zwei-, dreimal der Fall gewesen. Die Pilsener Brauerei hat mal einen Kessel gekriegt, den haben wir über Höll rübergefahren. Ich weiß das eine nur, in Höll an dem kleinen Übergang dort musste ständig einer von uns da sein, tagsüber zumindest, weil alle neugierigen Leute rübergerannt sind, die Grenze war ja offen, der Zaun war erst 500m weiter hinten. Die waren also hingerannt bis zum Zaun, dann haben die Tschechen sie wieder festgenommen, zwei Tage sitzen sie meistens dann, wenns zu weit drinne waren. Das war unsere Aufgabe in Höll. Da kann ich mich noch gut erinnern, da war so eine Reisegruppe, haben überwiegend VW gefahren, sind aus dem Nürnberger Raum gekommen, weil sie das Kennzeichen N hatten, haben dann ihr Auto abgestellt und wollten also dauernd Russen sehen. Und dann haben sie auch mit uns ein Gespräch geführt, und dann hat mich eine recht neugierig gefragt: „Ja, was hättens denn gemacht wenn jetzt die Russen weiter marschiert wärn?“, „Naja“, hab ich gesagt, „was hätt ich denn machen können? Ich hätt mich auf die Kreuzung gestellt, hätte den Verkehr geregelt, damit die Russen schneller nach Nürnberg kommen.“ Und die hat sich in ihren Käfer rein gesetzt und ist nach, Richtung Nürnberg gefahren.“

  • „Einmal, da ist, das war vor meiner Zeit aber ich kenn das aus den Unterlagen, da ist aus der Tschechei eine naja, Zigeunersippe, die wollte nach Deutschland rein. Die haben wir natürlich nicht nach Deutschland rein gelassen, die haben persische Ausweise gehabt. Die sind also rüber gefahren, wir haben die nicht reingelassen und die Tschechen haben sie nicht mehr zurück gelassen. Da haben die acht Tage zwischen den beiden Grenzen campiert. Die sind von uns verpflegt worden, haben zu trinken gekriegt, aber rein haben sie nicht gedurft. Naja, das Rote Kreuz hat sich eingeschaltet und dann hat Österreich sie genommen und dann sind sie nach Österreich rüber, aber die Tschechen haben sie nicht mehr zurück genommen. Obwohl das das oberste Gebot ist, wie hat denn das geheißen, lassen Sie mich mal überlegen, ´67 oder ´68. Wenn der von meiner Seite kommt, und der darf nicht rein aus irgendwelchen Gründen, dann muss ich ihn wieder zurück nehmen. So haben die da ihre Sachen ausgelegt. Die größte Brutalität war eben, dass die Leute einfach bei größter Hitze die Leute stundenlang an der Grenze zu stehen lassen. Und dann zu sagen: „Du darfst nicht rein.“ Da hats ja viele gegeben, die haben ein Visum gehabt und im Visum hat er einen Bart getragen und im Pass nicht. Der ist sofort wieder zurück gekommen, weil… wie viele Leute haben wir dort den Bart rasiert mit unserem Büromaterial, die alte Büroschere, haben wir den Bart weggeschnitten, damit der zu seiner alten Tante fahren kann. Also, ist alles ganz genau ausgelegt worden zur damaligen Zeit.“

  • Full recordings
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    Furth im Wald , 20.11.2013

    (audio)
    duration: 52:01
    media recorded in project Iron Curtain Stories
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Die Tschechen haben wirklich die Grenze dicht gemacht

Gerhard Hoch
Gerhard Hoch
photo: Dorothee Ahlers

Gerhard Hoch wurde 1940 in Weiden in der Oberpfalz geboren. Seit etwa seinem zwölften Lebensjahr kennt er die Grenze, zunächst nur als befestigter Eiserner Vorhang von Schulausflügen. 1959 fing er beim Bundesgrenzschutz an, absolvierte zunächst die Grundausbildung im Kloster Seeon (Oberbayern) und kam dann zum Standort Schwandorf. 1967 bewarb er sich bei der bayerischen Landespolizei. Aufgrund seiner Erfahrungen mit der böhmischen Grenze entschied er sich für eine Position bei der Grenzpolizei im Kommissariat Furth im Wald. Zunächst war er im mittleren Dienst tätig und arbeitete in der Grenzpolizeistation Höll (einem Ortsteil von Waldmünchen) bei Kontrollen entlang der Grünen Grenze. Nach zwei Jahren wurden die kleineren Dienststellen aufgelöst und Hoch an den Grenzübergang Furth im Wald versetzt. 1978/9 bewarb er sich für den gehobenen Dienst und war ab 1981/2 bis zu seiner Pensionierung verantwortlicher Dienstgruppenleiter in Schafberg bei Furth im Wald. Dort war er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2000 sowohl für den Straßengrenzübergang als auch für den Eisenbahnverkehr verantwortlich. Sein tägliches Geschäft war die Abfertigung der Reisenden, von denen ein großer Teil gewerblich unterwegs war. Er erlebte aber auch die Brutalität der Sperranlagen. An „seinem” Grenzübergang versuchten DDR-Bürger über die Grüne Grenze zu flüchten; Menschen aus verschiedenen Ostblockstaaten flüchteten versteckt in Zügen oder im Flugzeug. Nichtsdestotrotz funktionierte die Zusammenarbeit mit den tschechoslowakischen Kollegen gut. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings musste Hoch deutsche Neugierige von der Grenze abhalten, die die Russen sehen wollten, die aber nicht kamen. Im Laufe der achtziger Jahre nahm der Grenzverkehr massiv zu. Von der Öffnung der Grenze erfuhr Hoch durch Dienstanweisung einige Tage zuvor. Nach der Öffnung kam es zu zahlreichen illegalen Grenzübertritten. Auch der Reiseverkehr stieg schlagartig an, was für bayerische und tschechische Grenzbeamte eine Herausforderung darstellte. Bereits kurze Zeit darauf wurden die beiden Abfertigungen zusammengelegt; ab sofort fand nur noch eine gemeinsame Kontrolle statt. Zum Schengen-Beitritt der Tschechischen Republik 2007 wurde Hoch, bereits Pensionär, zu einer kleinen Feier an seiner alten Arbeitsstätte eingeladen.