Rudolf Hannawald

* 1932

  • "Die Leute sind gekommen und da mussten wir in zwei Räume. Alles andere hat ihnen gehört. Und dann bin ich, weil wir nichts bekommen haben... Wir haben Keller voll mit Kartoffeln gehabt. Es wurde abgesperrt und wurde für uns nichts mehr frei. Kein Zugang mehr. Da bin ich zu Mašek gegangen, als Knecht. Wir waren wie Freunde. Haben Egerländisch gesprochen miteinander, ich kümmerte mich um die Pferde, und ein Ostpreuße, ein Soldat, der da geblieben ist, der hat den Rinderstahl übernommen. Er war auch vom Beruf Schweiser. Ich hatte die Pferde. Und der Mašek wurde von den Partisten abgeholt und die sind nicht mehr zum Vorschein gekommen, die Leute. Der hatte den Mašek angezeigt, wie er geschlachtet hat, weil es verboten war. Jetzt musste er nach Karlsbad zum Gericht. Und ich musste den Wenzl Mašků heim fahren mit der Kutsche. Ich habe mich immer gefreut, wenn ich mit der Kutsche nach Karlsbad fahren durfte, ich hatte schöne Pferde gehabt. Und schöne Kutsche, schön angezogen, das hat mir Freude gemacht. Wenn es so geblieben wäre, wäre es wunderbar. Es war aber anders. Die haben gewußt, dass sie deutschfreundlich waren, mussten sie eines Tages gehen. Und die, die es übernommen haben, sind eines Tages abgehaut. Der Mašek hat zu mir gesagt: Wir gehen fort, wir müssen nach Karlsbad Mayerhöfen. Ich habe gesagt, ich komme auch bald nach. So sind andere auch fort. Mehrere. So sind sie abgehaut. Die haben gesagt, das können wir nicht verantworten, was da gemacht wird. Das waren die guten Tschechen. Und so hat es bei uns die guten gegeben und drüben auch."

  • "Ich war mit meinem Großvater im Wald, in unserem Wald, und wollten einen Baum fallen. Er wollte eine Waldse bauen. Eine lenkbare Walze. In dem Moment kommt meine Schwester Elka, und sagt, wir sollen nach Hause, wir müssen raus von unserem Eigentum. Ins Lager nach Karlsbad, Mayerhöfen. Das war früher eine Kaserne, dort wurden wir untergebracht. Es hat 14 Tage gedauert, bis wir einen Befehl bekommen haben, wir kommen weiter, mit Viehwagon. Und in dieser Zeit, als wir da gelebt haben, die 14 Tage, war ganz knapp mit dem Essen, nur eine Suppe und ein Stück Brot am Tag. Wir waren alle sehr abgemagert, haben zum Teil Ausschlag bekommen, durch Unterernährung. Befehl Abfahrt mit dem Viehwagon und wir kamen an die bayrische Grenze nach Schirnding. Meine Mutter hatte damals gerufen: ´Kinder, wir sind in Bayern, Gott sei Dank!´ Wir hatten damals Angst gehabt, wir kommen in die Ostzone. Das war eine große Erleichterung."

  • "Wir haben in Geschäften nichts zum Essen bekommen. Wenn du nicht Tschechisch kanntest, hast du nichts bekommen. Darum haben wir ja Glück, als die Russen den Gut übernommen haben. Da war ein General, ein kräftiger Mann, und ich habe ihm das gegeben, den Zylinder, Frack und die Uhr von meinem Vater. Er hat charosho gesagt, er hat einen Mann gerufen und der hat uns den Sack (mit Mehl) gegeben. Mein Bruder war dabei, der ist schon verstorben, der Gerhard. Aber wir hatten Angst gehabt. Haben den Sack genommen und sind durch den Wald gegangen. Wenn uns die Tschechen gesehen hätten, hätten sie es uns weggenommen. Viel Angst war da. Bis wir fortgekommen sind, bis wir in Bayern waren. Dann war die Angst weg. Aber die Sehnsucht nach zuhause."

  • Full recordings
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    Rehau, 13.09.2019

    (audio)
    duration: 01:41:04
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Bevor wir nach Bayern kamen, haben wir viel Angst erlebt. Dann ist die Angst verschwunden, aber das Heimweh ist geblieben.

Rudolf Hannawald, 2019
Rudolf Hannawald, 2019
photo: Post Bellum

Rudolf Hannawald wurde am 2. Januar 1932 in Sittmesgrün (Mezirolí) in der Nähe von Karlsbad geboren, wo seine Familie ein Bauerngut und ein Gasthaus hatte. Mit der Ernte von den Feldern und Obstgärten wurden Hotels in Karlsbad beliefert. In der Familie wurde insgesamt zehn Kinder geboren, die alle in der Landwirtschaft mitarbeiten mussten, besonders nach dem Tod des Vaters 1942. Im Jahr 1945 wurde auf ihrem Gut ein nationaler Verwalter eingesetzt, der ihnen den Zutritt zu jeglichen Vorräten verweigerte. Rudolf Hannawald erzählt in seiner Lebensgeschichte über Beziehungen zwischen den Deutschen und Tschechen, die nach dem Krieg nach Sittmesgrün kamen. Im Juni 1946 wurde die Familie nach Fristingen (heute ein Ortsteil von Dillingen / Donau) ausgesiedelt. Wegen der Arbeit ist Herr Hannawald nach Lampertheim in Hessen gezogen, wo schon seine Schwester wohnte. Er hat bis heute eine enge Beziehung zu seinem heimatlichen Egerland und dank seiner Mitarbeit in einer Eghalanda Gmoi lernte er seine Frau Elfriede kennen. Sie leben in Neualbenreuth in der Nähe von Waldsassen an der tschechischen Grenze.